christlich-jüdischer Dialog

christlich-jüdischer Dialog
chrịstlich-jüdischer Dialog
 
[k-], Bezeichnung für die gemeinsamen Bemühungen von Christen und Juden im 20. Jahrhundert, einander unter Achtung und Anerkennung der eigenen Traditionen zu begegnen; von christlicher Seite ursprünglich mit dem Gedanken der Judenmission verbunden, setzten sich jüdische Persönlichkeiten (M. Buber, F. Rosenzweig) bereits in den 20er-Jahren für einen Dialog im Sinne des gegenseitigen Kennen- und Verstehenlernens ein. Der christlich-jüdische Dialog im eigentlichen Sinne begann vonseiten der christlichen Kirchen nach 1945 in der Auseineindersetzung mit dem Antisemitismus als einer Wurzel des Holocaust. Eine wichtige Stellung in der weiteren Geschichte des christlich-jüdischen Dialogs nimmt die durch das 2. Vatikanische Konzil 1965 verabschiedete »Erklärung über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen« ein, die die Unwiderruflichkeit der Heilszusage Gottes an Israel hervorhebt und Gott ausdrücklich als den »Vater aller« - der Christen und Juden - betont und im Bewusstsein des historisch v. a. durch den christlichen Antijudaismus und die Judenverfolgungen des Mittelalters belasteten christlich-jüdische Verhältnisses zu einer vom Geist des Evangeliums getragenen brüderlichen Haltung gegenüber der jüdischen Gemeinschaft auffordert. Von diesen Grundsätzen ist auch die Erklärung der deutschen katholischen Bischöfe »Über das Verhältnis der Kirche zum Judentum« (1980) getragen. Als »Zeichen der Brüderlichkeit« wurden der Besuch Papst Johannes Pauls II. in der römischen Synagoge (1986) gewertet, sein Gebet für das jüdische Volk im ehemaligen Warschauer Getto (1999) und seine Ansprache in Yad Vashem (2000). Einen Höhepunkt des christlich-jüdischen Dialogs bildete 1993 der erstmalige Besuch eines Oberrabbiners, des geistlichen Oberhauptes der aschkenasischen Juden in Israel Meir Lau, in Rom. Weltweite Aufmerksamkeit, aber auch zahlreiche kritische Anfragen, erfuhr die 1998 veröffentlichte Erklärung der katholischen Kirche zur Schoah, in der sie offiziell zur nationalsozialistischen Judenverfolgung Stellung nahm und die Mitverantwortung und Mitschuld katholischer Christen bekannte. Ein grundlegendes Dokument auf protestantischer Seite legten die in der Leuenberger Kirchengemeinschaft zusammengeschlossenen Kirchen 2001 mit der im Ergebnis christlich-jüdischen Lehrgespräche 1996-2000 entstandenen Studie »Kirche und Israel« vor, verstanden als Versuch, erstmals auf europäischer Ebene die christlich-jüdischen Beziehungen zu bestimmen, Bekenntnis der eigenen Schuld gegenüber dem jüdischen Volk in der Geschichte und Formulierung der Verbundenheit und gemeinsamen Verantwortung von Christen und Juden in der Auseinandersetzung mit Antisemitismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit heute. Erstmals fanden christlich-jüdische theologische Gespräche in den 70er-Jahren und 1980 statt: 1972 mit orthodoxen, 1975 mit lutherischen und 1980 mit anglikanischen Theologen. Die EKD veröffentlichte 2000 in Anknüpfung an ihre beiden ersten Studien zum christlich-jüdischen Dialog (1975, 1991) die Studie »Christen und Juden III«, die das christlich-jüdische Verhältnis als Anfrage an die eigene theologische und kirchliche Tradition formuliert und ganz bewusst vor dem Hintergrund des Holocaust reflektiert. (Gesellschaften für christlich-jüdische Zusammenarbeit).
 
 
Christen u. Juden, hg. vom Kirchenamt der EKD, 2 Bde. (1-41982-91);
 N. P. Levinson: Ein Rabbiner in Dtl. (1987);
 
Fifteen years of Catholic-Jewish dialogue. 1970-1985, hg. vom International Catholic-Jewish Liaison Committee (Vatikanstadt 1988);
 S. Ben-Chorin: Von Antlitz zu Antlitz. Beitrr. zum Gespräch zw. Judentum u. Christentum (1989);
 
Juden u. Christen im Dialog. Pinchas Lapide zum 70. Geburtstag (1993);
 J. J. Petuchowski u. C. Thoma: Lex. der jüd.-christl. Begegnung (Neuausg. 1994);
 C. Thoma: Das Messiasprojekt. Theologie christl.-jüd. Begegnung (1994);
 R. Rendtorff: Christen u. Juden heute. Neue Einsichten u. neue Aufgaben (1998).

Universal-Lexikon. 2012.

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